Ein Fluss so rot und schwarz: Roman
Dystopie mit Realitätspotential?!
Der neue Future-Fiction-Thriller - Ein Fluss so rot und still -
von Anthony Ryan wurde am 14. Oktober 2023 auf dem deutschen Markt veröffentlicht.
Der in Schottland geborene Autor wurde seit 2011 zu einem Begriff in der Genre-Community. Mir waren seine Bücher bisher nicht bekannt. Somit bin ich vollkommen unvoreingenommen an dieses Buch heran gegangen.
Deutsche Übersetzung: Sara Riffel
Verlag: Tropen
Zum Inhalt:
Ein einsames Schiff. 6 langsam erwachende Passagiere sowie eine ihnen unbekannte Leiche. Die Lebenden verbinden 2 Dinge:
Alle haben eine Op-Narbe an der gleichen Stelle & können sich nicht an ihre Vergangenheit erinnern. Schon bald wird klar, dass jeder, der sich beginnt erinnern zu können, zu einer letalen Gefahr für alle anderen wird.
Die Titelseite zeigt uns eine Schattenaufnahme Londons erhellt durch einen blutroten Schimmer.
Der in knallroten Buchstaben geschriebene Titel macht mich im Zusammenspiel mit dem Klappentext wirklich neugierig.
Mein persönliches Leseerlebnis bezieht sich auf das elektronische Exemplar.
Aufbau, Protagonisten, Spannung und Momentum
Gleich zu Beginn baut sich eine spürbare Spannung auf.
Ich erlebe den Schrecken der Einzelnen und werde durch die sich entwickelnde Erzählung tief in das Geschehen hineingesogen.
Das jeweilige Schicksal der Protagonisten ist überraschend und auch schockierend. Der Autor hat viel Mühe auf die individuellen Schattierungen der einzelnen Personen verwandt.
Der zu Beginn starke Spannungsbogen wurde leider im weiteren Verlauf nicht auf dem hohen Niveau gehalten oder intensiviert. Einige sich wiederholende Informationen haben der Story im weiteren Verlauf ihr Momentum genommen.
Das Finale präsentierte ein nachvollziehbares Ende, konnte dessen mögliches Potential leider nicht komplett erreichen.
Zusammenfassung:
Ein durchaus spannendes Konzept, dass leider seinem Potential nicht komplett gerecht wurde. Die Protagonisten blieben trotz ihrer beschriebenen Einzelschicksale gefühlt - anonym.
Fazit:
Ein kurzweiliger, durch wirklich gelungene Einstreuungen spannender Momente, flüssig lesbarer Roman. Die deutsche Übersetzung ist sehr gelungen und absolut treffsicher in ihrer Wortwahl.
Ich vergebe 4 * Lesesterne, für diesen Dystopischen Roman verbunden mit einer Empfehlung für diese Genre-Fangemeinde.
ISDN: 978-3608501797
Seitenzahl: 272
Formate: elektr., Hörbuch und gebundene Ausgabe
Grosse Überraschung bei mir als ich entdeckte dass Antony Ryan jetzt auch Thriller schreibt. Bisher stürzte sich mein Sohn auf jede seiner Neuerscheinungen, einen Thriller aber möchte er gar nicht erst versuchen obwohl von einem seiner Lieblingsautoren geschrieben.
Das Cover fand ich jetzt ok aber nicht weltbewegend. Ebenso ging es mir mit dem Titel. Erinnert an einen Mix aus Schneewittchen und den purpurnen Flüssen.
Ich muss voranstellen, die Erwartungen an das Buch waren sehr hoch. Was bewegt einen sehr erfolgreichen Fantasy Schriftsteller das Genre zu wechseln? Sucht er eine neue Herausforderung oder ging ihm der Stoff aus?
Es waren jetzt auch nicht unbedingt die horrormässigen Szenen im Buch die mich eher abstiessen. Von Candice Fox her bin ich einiges gewohnt an extremen Thrillern. Aber da kann man die Entwicklung der Persönlickeiten zu den extremen Tätern oder Opfern mitverfolgen oder nachvollziehen. Hier bekommt man eine Apokalypse übergestülpt.
Ich als Thrillerfan würde keinen weiteren Thriller von Anthony Ryan lesen. Nicht weil er nicht gut ist sondern weil doch zuviel von seiner speziellen Fantasywelt nachklingt und das ist nicht meins. Hier muss jeder Fan für sich entscheiden. Ob er als Fantasyfan auch mal Thriller lesen will oder ob man als Thrillerfan ihm auch eine andere Art von Spannung ohne epische Schlachten zutraut.
Handwerklich sicher sehr gut, daher gebe ich 4 Sterne.
Die echte Pandemie – auch menschengemacht
Die Ausgangssituation in diesem Roman fand ich sehr spannend: Sieben Menschen auf einem ferngesteuerten Militärboot, alle ohne Gedächtnis. Und ebenso ohne Möglichkeiten, selbstbestimmt einzugreifen. Drei Männer und drei Frauen bleiben übrig, als einer sich erschießt. Irgendwie war es mir schon klar, dass dies eine „Zehn-kleine-Negerlein-Geschichte“ werden würde. Und das wurde es auch. Mehr möchte ich aber an dieser Stelle nicht verraten.
Diese sechs übriggebliebenen Menschen misstrauen einander zutiefst und sie haben alle Narben auf dem Kopf von einer kürzlich erfolgten Operation, denn die Einschnitte sind zwar verheilt, aber relativ frisch. Jeder hat auch eine Namenstätowierung auf dem rechten Unterarm. Alle Namen sind Schriftstellernamen, drei weibliche: Dickinson, Plath & Rhys. Und drei männliche: Pynchon, Huxley & Golding. Huxley ist hier die Hauptfigur und anhand seiner Fähigkeiten muss er wohl Polizist o. Ä. gewesen sein. Des Selbstmörders Tätowierung war Conrad.
Sie alle sind auf einer Bootsreise, die in die Themse mündet. Und je näher sie an London kommen, je schwieriger wird die Lage und es gibt Verluste. Alles ist ständig in einen roten, undurchdringlichen Nebel gehüllt. Dazu ertönen grauenvolle Schreie aus der Ferne, kommen aber langsam näher. Eine Flucht ist unmöglich, denn das beigefügte Schlauchboot taugt dafür nicht und ist auch nicht schnell. Die Situation wird immer bedrohlicher. Stumpfe Befehle, emotionslos, ohne Erklärungen, kommen via Satellitentelefon und nach und nach erfahren die Reisenden zwar mehr über ihre erzwungene Mission, aber nie die ganze Wahrheit.
Kleines Nachdenken über die o. g. Schriftstellernamen zwischendurch: Ich muss gestehen, dass mir der Name Rhys gar nichts sagte, so habe ich mir jetzt von Jean Rhys ihr berühmtestes Buch bestellt: „Die weite Sargassosee“.
Viele Textstellen, die ich mir angemarkert habe, kann ich hier nicht wiedergeben, ohne zu viel zu verraten, aber drei sollen erwähnt werden: S. 182: „Sagen wir mal, du bist eine außerirdische Zivilisation und stößt auf einen hübschen blaugrünen Planeten, den du kolonisieren willst. Das Problem ist, dass er von ein paar Milliarden vernunftbegabter Affen bewohnt ist. Oder befallen, wie man’s nimmt. Nicht nur würden die ziemlich sauer reagieren, wenn du hier aufkreuzt, sondern die vergiften den Planeten auch mit allem möglichen chemischen Zeugs. Vielleicht war es für die Außerirdischen so, wie wir eine Zimmerpflanze mit Insektenspray einsprühen.“ (Huxley an Rhys.)
Seite 247: „Immerhin haben wir eine richtig abgefuckte Welt geschaffen, in der sie gedeihen können. (Mit „sie“ sind hier die Psychopathen, Soziopathen und die selbstsüchtigen Gestörten gemeint.) Eine Welt, in der wir uns von gierigen Lügnern regieren lassen, die sich ständig in die eigene Tasche wirtschaften.“ (Rhys an Huxley)
Seite 251: „Wir sind die Anomalie. Eine Spezies, die so erfolgreich ist, dass sie ihre Umwelt verschlingt und damit ihren eigenen Untergang sichert. Was jetzt geschieht, ist lediglich ein notwendiges Korrektiv.“ (Plath an Rhys und Huxley)
Wie so oft, wenn Menschen, die bunt zusammengewürfelt sind, an einem Ort quasi zusammengepfercht werden, gibt es Sympathien und Antipathien. Das kommt auch gut rüber, vor allem in den Dialogen. Bei der Beschreibung der äußeren Merkmale der „gesunden“ Menschen müssen wir allerdings Abstriche machen.
Fazit: Der Roman ist hochspannend und ein echter Pageturner. Wer Dystopien mit blutigem Gemetzel und fragwürdigem Ende gut ertragen kann, der wird hier kreativ bedient. 3,5 Sterne runde ich auf 4 Sterne auf.